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Sira Teil 21: Die Rückkehr nach Mekka


Koraisch werden vertragsbrüchig

Mu’ta hatte den Muslimen gezeigt, dass die Mekkaner und die arabischen und jüdischen Stämme aus der unmittelbaren Umgebung nicht die einzigen waren, die die Ausbreitung des Islam nicht tatenlos hinnehmen würden. Deshalb war der Waffenstillstand mit den Koraisch ein umso wichtigerer Erfolg für die muslimische Gemeinschaft. Allerdings war dieser Frieden nicht von Dauer. Schon anderthalb Jahre nach seiner Unterzeichnung kam es zu einem Vertragsbruch durch die Koraisch, in den sie durch ihre Bündnispartner hineingezogen wurden. Der Vertrag von Hudaybiya hatte allen arabischen Stämmen Bündnisfreiheit gegeben. Die Khuza’a waren daraufhin offizielle Verbündete des Propheten geworden, die Banu Bakr waren schon lange Verbündete der Koraisch. Beide Stämme lebten in der Nachbarschaft von Mekka und zwischen ihnen bestanden seit geraumer Zeit Feindseligkeiten.

Die Khuza’a respektierten den Waffenstillstand, der auch für die Verbündeten der Vertragpartner galt. Die Banu Bakr aber nutzten diesen Umstand, um alte Rechnungen zu begleichen. Sie griffen die Khuza’a an und töteten einige von ihnen. Die Koraisch unterstützten sie mit Waffenlieferungen, einige Männer von ihnen beteiligten sich sogar direkt an den Kämpfen. Khuza’a flohen in den Schutz des Heiligen Bezirks von Mekka, in dem das Blutvergießen nach arabischen Brauch streng verboten war. Aber die Banu Bakr setzten sich über dieses Verbot hochmütig hinweg und es kam zu einem Massaker an den überwältigten Khuza’a.

Abu Sufian ist überwältigt

Abu Sufian begriff gleich nach dem Geschehen, dass die Koraisch vertragsbrüchig geworden waren. Und er hatte kein Interesse an einer erneuten Konfrontation. Er eilte sofort nach Medina und bat den Propheten, einer Verlängerung des Vertrags zuzustimmen. Damit wäre die Affäre Banu Bakr stillschweigend hingenommen worden. Der Prophet hatte jedoch schon während der Kämpfe von den Vorfällen erfahren. Er ließ ihn mit leeren Händen heimkehren, ohne ihm mitzuteilen, dass er schon unterrichtet war.

Unterdessen hatte der Prophet, Gottes Segen und Frieden über ihn, bereits mit den Vorbereitungen für einen Feldzug gegen Mekka begonnen. Er achtete diesmal streng auf die Geheimhaltung des Vorhabens, um die Mekkaner zu überraschen und so Blutvergießen zu verhindern. Dies gelang denn auch. Erst als sie vor den Toren von Mekka lagerten, erfuhr Abu Sufian von dem Aufmarsch. In der letzen Nacht vor dem Einmarsch in die Stadt konnte er von einer Anhöhe aus ein beeindruckendes Meer von Lagerfeuern des muslimischen Heeres betrachten. Es war mit 10.000 Mann das bei weitem größte Heer, das die Muslime bisher zusammengestellt hatten. Der Prophet hatte die Kämpfer in dieser Nacht zudem absichtlich viele Lagerfeuer anzünden lassen, um sie in den Augen des Feindes noch viel zahlreicher erscheinen zu lassen. Die Koraisch sollten nicht nur überrascht, sondern auch gründlich eingeschüchtert werden, um Kämpfe im Heiligen Bezirk möglichst zu verhindern.

Der letzte Zweifel im Herzen des Abu Sufian

Der Onkel des Propheten, Abbas, der nach den meisten Überlieferungen erst vor einigen Tagen den Islam angenommen hatte und zum Propheten gestoßen war, suchte seinen Freund Abu Sufian auf und überredete ihn, zum Propheten zu gehen. Er sollte sich mit ihm einigen, bevor er in die Stadt einmarschieren würde. Der Prophet fragte ihn, als er bei ihm im Zelt saß: „Abu Sufian, ist für dich denn nicht schon längst die Zeit gekommen, zu erkennen, dass es keinen Gott gibt außer Allah?“ Abu Sufian antwortete: „Du bist edel und großzügig! Wenn es andere Götter gäbe als Ihn, sie hätten uns dies doch erspart.“ Doch als es zum Glauben an den Gesandten kam, bekannte Abu Sufian, dass er in diesem Punkte nicht frei von Zweifeln sei. Auf Drängen von Abbas sprach Abu Sufian dennoch das Glaubensbekenntnis.

Der Prophet wollte aber nicht Abu Sufians Lippenbekenntnis. Er wollte ihn wirklich auf seine Seite gewinnen und bat ihn, sein Volk vom Griff zu den Waffen abzuhalten. Außerdem erklärte er die Moschee, die Privathäuser und das Haus von Abu Sufian zu sicheren Orten. Dadurch blieb Abu Sufian der Gesichtsverlust halbwegs erspart, auch wenn ihn seine Frau Hind auslachte, als er ihr stolz davon berichtete.

Durch alle diese Maßnahmen gelang es tatsächlich, Mekka ohne nennenswertes Blutvergießen einzunehmen. Einige junge Männer aus angesehenen Familien hörten nicht auf den Rat von Abu Sufian und versammelten das Gesinde der Stadt zum Kampf. Die Gruppe wurde aber rasch auseinander gesprengt. Neben ein paar von ihnen, die dabei im Kampf getötet wurden, nannte der Prophet noch einige Männer und Frauen der Koraisch, die sich besonders verbrecherisch verhalten hatten und getötet werden sollten.

„Geht in Freiheit!“

Der dir den Koran aufgebunden hat, Er wird dich zur Stätte der Wiederkehr zurückbringen. (al-qasas; 28; 85)

Nach der anerkannteren Meinung der frühen Koranexegeten ist dieser Satz dem Propheten offenbart worden, als er auf der Flucht nach Medina war. Er hatte mit Abu Bakr die Höhle verlassen und konnte von einer Anhöhe aus in der Ferne Mekka sehen. „Du bist Gottes liebstes Stück Erde,“ hatte er gesagt, „und bei Gott, wenn mich dein Volk nicht aus dir vertrieben hätte, ich hätte ich nicht verlassen.“ „Er wird dich zur Stätte der Wiederkehr zurückbringen“ war demnach Gottes Versprechen, ihn zu eben dieser Heimat zurück zu führen.

Heute war es soweit. Die Einnahme der Stadt war ein ebenso ruhiges wie triumphales Ereignis. Vor allem gelang es dem Propheten, nach so langer Feindschaft die Herzen seiner ehemaligen Landsleute zu gewinnen. Irgendwie schien die Zeit wiedergekommen zu sein, als ganz Mekka den Propheten „al-Amin“, den Vertrauenswürdigen, nannte. Er stellte sich in die Moschee vor die versammelten Mekkaner. Er eröffnete wie gewohnt mit dem Dank an Gott, der Sein Versprechen eingehalten und seinem Diener zum Sieg verholfen hätte. Dann sprach er zu ihnen: „Ihr Leute der Koraisch, Gott hat euch vom Eifer der Zeit der Unwissenheit (jahiliyya) und vom Väterstolz befreit. Die Menschen stammen von Adam und Adam ist aus Erde.“ Dann zitierte er aus dem Koran:

Ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennen lernt. Vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste ist. Allah weiß Bescheid und hat Kenntnis von allem. (al-hujurat; 49; 13)

Dann stellte er den Koraisch die berühmte Frage: „Was erwartet ihr, das ich mit euch tun werde?“ Sie sagten: „Wir denken gut und wir sprechen gut! Ein edler Bruder und Sohn eines edlen Bruders!“ „Ich sage zu euch, was mein Bruder Josef zu seinen Brüdern sagte.“ antwortete er ihnen dann und zitierte die entsprechende Stelle aus dem Koran, die schon zu mekkanischer Zeit offenbart worden war:

Keine Tadel soll euch heute treffen. Gott verzeihe euch. Er ist der Barmherzigste aller Barmherzigen. (yusuf; 12; 92)

Dann fuhr er fort: „Geht, denn ihr seid frei!“ Daraufhin setzte er sich in die Moschee. Ali kam zu ihm mit dem Schlüssel der Kaaba in der Hand. Er selbst oder Abbas bat ihn um das traditionelle Wächter- und Tränkeamt der Kaaba. Doch der Prophet lehnte ab und ließ Utman bin Talha kommen, dessen Sippe dieses Amt innehatte. Er überreichte ihm den Schlüssel und sagte: „Heute ist ein Tag der Aufmerksamkeit und der Treue. Nehmt die Schlüssel in alten und neuen Ehren. Nur ein Übeltäter wird sie von euch nehmen wollen.“

Die Ansprache des Propheten und solche versöhnlichen Gesten taten ihre Wirkung. Als die Koraisch einst dem Propheten mit vergleichbarer zahlenmäßiger Übermacht gegenüber gestanden hatten, hätten sie ihn und seine Gemeinschaft am liebsten ausgelöscht. Aber er kam heute dennoch als der einstige Bruder zurück. Die Menschen, Männer und Frauen, kamen zu Hunderten zu ihm, um den Islam anzunehmen und ihm, dem Gesandten Gottes, die Gefolgschaft zu versprechen. Und sogar eine erbitterte Feindin wie Hind bint Utba, die Frau von Abu Sufian, die einst Hamzas Leiche geschändet hatte, kam zu ihm und erklärte ihm, dass ihr sein Sieg nun ebenso lieb war, wie sie sich zuvor seinen Untergang gewünscht hatte.

Bilal ruft „Allahu Akbar!“ von der Kaaba

Der Prophet ließ auch die Götzen, die zu Hunderten um die Ka’ba standen, zerstören. Die Menschen hatten den Glauben an sie nun verloren und niemand trauerte mehr um sie. Doch der großartigste und ergreifendste Moment war wohl, als Bilal auf die Ka’ba stieg, um den Adhan auszurufen. Bilal, der einstige farbige Sklave, der vor einem Jahrzehnt noch unter der Folterpeitsche der Oberhäupter der Stadt standhaft „Einer! Einer!“ geächzt hatte, stand nun hoch oben auf der Ka’ba selbst und rief von dort aus mit seiner schönen und starken Stimme zum Gebet: „Allahu akbar! La ilaha illa-llah. Muhammad rasulu-llah! – Allah ist größer! Kein Gott außer Allah! Muhammad ist Sein Gesandter!” Es war nicht nur ein unermesslicher Triumph, sondern auch die Versöhnung der Koraisch mit ihrem Propheten, mit ihren ausgewanderten Verwandten und Freunden – und mit sich selbst.


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